Die Absurdität des Lebens - Das Leben ohne Sinn?


Die Frage nach dem Lebenssinn ist, wenngleich schon viel früher gestellt, eine Frage die erst mit der Industrialisierung weitreichende Bedeutung erlangt hat. Gerade im Bereich des Existenzialismus bzw. der Existenzphilosophie, welche sich nach dem 2. Weltkrieg in der Philosophie aber auch in der Psychologie zu einem wichtigen Forschungsfeld wurde, steht die Sinnfrage an einer der obersten Stellen. Denn es stellt sich die Frage, hat der Mensch einen bestimmten Sinn? Wozu ist er hier? Und was wäre wenn es einen solchen Sinn gibt oder eben nicht? Welche Schlüsse können daraus gezogen werden?

Mit genau diesen Fragen wird sich in diesem Beitrag beschäftigt. Es geht dabei jedoch zentral erst einmal um die wichtigste Frage in dieser Ansammlung von Fragen: Gibt es einen Lebenssinn? Denn erst aus der Antwort dieser einen Frage lassen sich alle anderen Fragen besser beantworten. Dabei erhebt dieser Beitrag nicht den Ruf der absoluten Wahrheit. Sie soll viel mehr dazu anregen, eigene Theorien oder andere Argumentationen zu finden und damit auch ein besseres Selbstverständnis zu finden.
Der Beitrag konzentriert sich dabei insbesondere auf zwei Personen und ihren Theorien über den Lebenssinn: Albert Camus und Viktor Frankl. Beide vertreten einige gegensätzliche Ansätze, wodurch der Vergleich interessant sein und der Absicht des Beitrages dienen dürfte.


Das Leben ohne Sinn nach Albert Camus

Albert Camus war ein französischer Philosoph und Schriftsteller der 1913 im französichen Algerien in ärmlichen Verhältnissen geboren wurde. Er erlebte viele Rückschläge in seinem Leben: Sein Vater verstarb bereits vor Camus ersten Geburtstag, seine Mutter hatte eine leichte Behinderung des Hörens und Sprechens, mit 17 bildete sich eine Tuberkulose, sein Abitur konnte er erst verspätet machen, er konnte nicht auf seine Wahluniversität in Paris studieren, seine Studienkollegin und Frau war drogenabhängig, sein Kampf für die Gleichberechtigung in den französischen Kolonien wurde von seiner eigenen Partei missbilligt und er wurde daher ausgeschlossen zudem wurde er für eine Lehrerausbildung aufgrund seiner Tuberkulose nicht zugelassen.
Als er daraufhin begann erste Romane zu verfassen, verfasste 1942 er auch sein Essay mit dem Titel "Der Mythos des Sisyphos". Darin beschreibt er seine Philosophie des Absurden. Er beschrieb das Leben selbst als etwas absurdes und sinnloses. Denn letztlich ende alles irgendwann. Das Leben, die Welt und das Universum gleichermaßen sei vergänglich und somit sinnlos. Das eigene Leben und die eigene Existenz wiederum stelle somit ein Widerspruch dar, etwas absurdes.

Wie der Name des Essays vermuten lässt, verdeutlichte er dies am Beispiel von Sisyphos. Dieser war in der Unterwelt von den Göttern dazu verdammt worden einen Stein immer wieder einen Berg herauf zu tragen, welcher vor dem Gipfel wieder herunterrollte. Diese Arbeit, heute unter dem Namen "Sisyphos-Arbeit" bekannt, ist gleichermaßen sinnlos wie bedeutungslos für Sisyphos. Trotzdem tat er wie im Geheißen wurde, kehrte um und versuchte es erneut und erneut und erneut.
Für Camus war die Erkenntnis der Absurdität des Lebens ein direkter Vergleich zu diesem Mythos. Sisyphos wusste das es sinnlos war, erkannte also die Absurdität seines Tuns. Trotzdem hörte er nicht auf, sondern er machte weiter. Für Camus war daher die Erkenntnis der Sinnlosigkeit des Lebens kein Grund das Leben selbst aufzugeben. Nach Camus war es wichtig diese Erkenntnis zu akzeptieren. Denn nur durch diese Akzeptanz sei es möglich dann frei zu leben und sein Leben eigenständig gestalten zu können. Nur die Absurdität macht unser Leben letztlich frei, da wir frei entscheiden können welchen Regeln wir unterliegen wollen. Der Tod und auch das Scheitern stellte dadurch keine Gefahr dar, sondern war nur ein Teil der Absurdität. Also das finale und unausweichliche.

Sinnlosigkeit, bzw. dessen Erkennen ist somit nach Camus der Schlüssel für ein erfülltes Leben. Dies erklärt auch, warum Camus selbst, trotz vieler Rückschläge in seinem Leben, keinen Freitod wählte. Mit einem Selbstmord erliege man nur der Absurdität. Man akzeptiert sie dadurch nicht sondern will vor ihr flüchten. Die Flucht aber ist nicht möglich, da am Ende allen Lebens der Tod immer schon stand. Stattdessen solle man das Leben, so sinnlos es erscheint, so verwenden wie es für richtig gehalten wird. So kann das Leben genossen werden. Man kann glücklich und zufrieden werden.
Camus schrieb daher auch in seinem Essay: "Der Kampf gegen den Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen."

Albert Camus verstarb 1960 an einem Autounfall. Zuvor erhielt er jedoch noch den Literaturnobelpreis.


Das Leben mit Sinn nach Viktor Frankl

Viktor Frankl war ein österreichischer Psychiater und Neurologe. Er wurde 1905 in Wien geboren. Auch Frankl erlebte einige Rückschläge bzw. dramatische Erlebnisse. So beschäftigte er sich mit vielen suizidgefährdeten Jugendlichen, versuchte Juden vor dem NS-Euthanasieprogramm zu schützen und wurde 1942 selbst als Jude in ein Konzentrationslager deportiert, wo auch seine Frau und seine Eltern durch die Gaskammer getötet wurden.
Trotzdem verlor er keinen Lebensmut. Im KZ lernte er sehr viel über die menschliche Psyche, insbesondere wenn es um den Überlebenswillen ging. Sein nach dem Krieg veröffentliches Buch "... trotzdem Ja zum Leben sagen" sprach sogar von Versöhnung mit den Deutschen und verzichtet auf die heute noch vorherrschende Kollektivschuld der Deutschen am Holocaust. Weiter hat er im Buch seine Erlebnisse geschildert und seine Beobachtungen bekanntgegeben. Er habe erkannt, dass insbesondere jene Menschen das Konzentrationslager überlebten, wenn diese einen Lebenssinn für sich sahen. Der Überlebenswille, als Antriebsmotivation, wurde also durch einen gegebenen Sinn gesichert. War kein Sinn erkennbar war der Überlebenswille gebrochen und die Häftlinge erleideten einer Depression und provozierten sogar ihren eigenen Tod. Frankl nannte diese Sinnlosigkeit und gebrochenen Überlebenswillen eine "noogene Neurose".

Mittels dieser Erkenntnisse gründete Frankl die Logotherapie bzw. die Existenztherapie. Sie soll den Patienten durch geeigente Psychotherapie dazu bewegen über den eigenen Lebenssinn konkreter nachzudenken, damit einen Sinn zu suchen und letztlich zu finden. Dieser Sinn sei bei jedem Menschen anders und kann sich auch im Verlauf des Lebens ändern. Wichtig sei dabei jedoch den Lebenssinn nicht als ein festgelegtes Ziel zu interpretieren. Es ginge vielmehr es als eine Richtung zu verstehen, die man trotz Hindernisse und Umwege weiterverfolgen kann. Eine Erfüllung des Sinns soll somit nicht möglich sein, aber trotzdem die Energie geben um die Sinnkrise bzw. die noogene Neurose zu überwinden und damit an Überlebenswillen und Motivation zu gewinnen.

Die Quintessenz dabei: Alles hat einen Sinn. Egal wie schlimm oder wie sinnlos es erscheint, so geschied jede Handlung aus einem Sinn heraus bzw. es kann daraus ein Sinn gewonnen werden. Daher konnte Frankl auch die Kollektivschuld ablehnen, da er in dem Handeln jedes Deutschen einen Sinn erkannte bzw. daran glaubte das sich dahinter ein Sinn ergab. Auch sei das Resultat sinnvoll. So könne z.B. gelernt werden zukünftige Völkermorde zu verhindern. Daher sollen auch alle negativen Ereignisse überwunden werden können, durch die Gabe eines Sinns welcher dieses Ereignis mitsichbringt.

Frankl starb 1993. Mittlerweile gibt es mehrere Institute welche sich mit der Sinnforschung nach Frankl beschäftigen und die Logotherapie als Ausbildung für Psychotherapeuten anbietet.


Das Leben hat (k)einen Sinn

Die Theorien nach Camus und Frankl stellen klar erkennbar einen Widerspruch dar: Camus schreibt dem Leben jeglichen Sinn ab, während Frankl in allem ein Sinn erkennen mag. Es sind beide Antworten auf die Frage ob es einen Lebenssinn gibt oder nicht. Und doch besitzen sie eine zentrale Gemeinsamkeit: Am Ende steht das glückliche und zufriedene Leben. Der eine lebt glücklicher durch die Freiheit welche die Sinnlosigkeit und seine Akzetanz schaffen. Der andere lebt glücklicher durch die Motivation welche das finden des Sinns in allem vermittelt.

Wie soll man aber diese beiden unterschiedlichen Puzzleteile zusammenbekommen? Irgendwo scheint es einen logischen Widerspruch zu geben. Es können ja nicht beide Theorien gleichermaßen recht haben, oder doch?

In der Tat können beide mit ihren Theorien durchaus richtig liegen. Denn wenn das Leben tatsächlich aus natürlicher Sicht sinnlos ist, so lässt sich trotzdem ein Sinn künstlich erstellen. Vielleicht wird kein Sinn gesucht und gefunden, sondern einfach nur geschaffen und erfunden. Das Leben wäre dann augenscheinlich sinnvoll, da die Feststellung der Absurdität des Lebens (noch) nicht wahrgenommen wird. Diese entsteht erst im Augenblick in dem ein Sinn fehlt, also bei einer noogenen Neurose. Frankl würde dann mit seiner Therapie einfach nur Symptome behandeln indem diese dafür sorgt das ein neuer Lebenssinn geschaffen wird. Die Behandlung verhilft also die Absurdität zu überdecken und nicht zu überwinden, da man sich in neue Abhängigkeiten manövriert und nicht die Freiheit in der Sinnlosigkeit erkennt.
Andersherum ist es auch möglich, dass Camus seine Theorie über die Absurdität des Lebens zum Zeitpunkt einer noogenen Neurose entwickelte. Dann wäre alles für ihn sinnlos erschienen und er hätte versucht einen neuen Sinn zu finden. Diesen neuen Sinn hätte er dann in der Beschäfitigung mit dem Thema und auch in der Schriftstellerei gefunden. Seine Akzeptanz der Absurdität wäre also eher der Fund eines Sinns gewesen. Die Freiheit wäre dann eine Illusion gewesen, welcher aus der Motivation entsprang, welcher dieser neue Sinn geschaffen hatte.

Beide Theorien erscheinen also gleichermaßen möglich. Welche davon zutrifft liegt jedoch im Auge des Betrachters bzw. in der Erwartung derjenigen die sich damit beschäftigen. Ein Mensch der schon früher die Theorie hatte, dass das Leben keinen Sinn hat wird Camus eher zustimmen als Frankl. Jemand der im Leben einen Sinn sehen möchte, wird Frankl den Vorzug vor Camus geben. Es bleibt also letztlich eine Ermessensfrage welchen der beiden man zustimmen möchte.

Zitat von Helen im Beitrag #4

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Solange man ein Ziel, Wünsche, Hoffnungen,Träume im Leben hat sieht man auch einen Sinn im Leben.
Hat man seine Ziele erreicht , wünsche erfühlt, keine Hoffnung und keine Träume mehr hinterfragt man sich was ist der Sinn des Lebens.
Kann man so weiterleben wenn man all diese Interpretationen nicht mehr hat?!

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Zitat von Victoria im Beitrag #5

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Selbstverständlich hat das Leben einen Sinn!
Jeder gestaltet sich sein Leben selbst, Kariere, Familie gründen, Kinder erziehen, sich über die Enkelkinder freuen, sich kleine - manchmal auch große Wünsche erfüllen, Freunde haben, das Rentnerdasein genießen usw.
Wenn das Leben keinen Sinn hätte und man sich nicht auch an kleinen Dingen erfreuen kann, dann ist es klar das Menschen verbittert herum laufen...

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Zitat von Miakoda im Beitrag #6

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" Hat das Leben einen Sinn? "

Ja das Leben hat auf jeden Fall einen Sinn!
Hätte das Leben keinen Sinn würde die Natur mit Sicherheit nach einem langen Winter oder sehr heissen Sommer nicht immer wieder auf ein Neues erwachen!

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Eigentlich wollte ich auf alle diese Kommentare sperat eingehen, aber es erscheint mir einfacher eine Antwort für alle zu verfassen, damit die Argumentationskette nachvollziehbar bleibt:


Augehend vom aktuellen Wissensstand (nicht zu verwechseln dem Glaubensstand!) besteht jegliches Sein aus folgenden Punkten: Die Entstehung, der Entwicklungs- bzw. Reifeprozess, der Zerfall bzw. die Auflösung.
Dieses Prinzip lässt sich auf alles und jeden übertragen: Wir werden geboren, wir leben und wir sterben. Pflanzen erwachsen aus Samen, gedeihen und verblühen letztlich und gehen ein. Gegenstände werden geschaffen, weiterentwickelt und letztlich zerstört oder verfallen von selbst. Atome fusionieren zu größeren Atomen, werden zu Isotopen und zerfallen. Und so weiter. Das bedeutet: Alles was entsteht geht irgendwann zu Grunde (um hier mal Goethe frei zu zitieren).
Das logische Ziel jeglicher Existenz ist folglich seine Nicht-Existenz. Allesweitere sind nur Zwischenschritte.

Da wir den Sinn von etwas von seinen Zielen ableiten, können wir so grunsätzlich sagen: Der Sinn von Allem, ist es sich selbst zu überwinden und in ein Nichts, einem Nicht-Seien, überzugehen. Der Sinn des Lebens ist es folglich nicht zu leben.

Ist der Sinn im Leben nun, dass das Leben endet, so ist alles was zwischen Geburt und diesem Ende passiert unsinnig bzw. absurd. Denn es auch alles im Leben geschaffene wird sein Ende finden, spätestens mit dem Ende des Unisversums selbst. Folglich ist jegliche im Leben getroffene Entscheidung, jegliche Handlung und jede Tat absurd.

Somit haben wir das Leben auf ein Paradoxon geführt: Einserseits hat alles im Leben einen unsinnigen bzw. absurden Charakter. Auf der anderen Seite besitzt das Leben den Sinn beendet zu werden.


Die Lösung dieses Paradoxon erscheint für einige wenige der Freitot. Jedoch, und hier sind wir wieder bei Camus, erfüllen wir damit genauso jenen Sinn wie wenn wir im Leben bis zu unserem natürlichen Tod oder Unfalltod verweilen. Damit wird klar: Selbst das Erkennen der Sinnlosigkeit im eigenen Handeln und dem daraus resultierenden Freitot, macht keinen Unterschied. Es wird nur die Phase zwischen Geburt und Tod (künstlich) verkürzt.
Jedoch führt diese Erkenntnis nicht zwangsläufig zu diesem Ergebnis. Denn wer weiterdenkt erkennt eine weitere logische Konsequenz: Wenn alles was wir tun sinnfrei ist, so ist es egal was wir tun. Und wenn es egal ist was wir tun, können wir auch alles tun oder nicht tun so wie wir glauben das es umgangssprachlich (nicht aber real) sinnvoll ist.
Somit kann uns das Erkennen des Paradoxons subjektiv gleichermaßen relevant wie irrelevant sein. Die Reaktionen darauf sind in jedem Fall sinnlos, egal ob wir uns also dem Fiktionalismus und somit der Beibehaltung eines Glaubens widtmen oder die Absurdität des Lebens ins Auge blicken und somit Handeln als ob es niemanden interessiert.


Ich hoffe ich habe mich verständnlich ausgedrückt