Bei neuen anti-chinesischen Protesten sind in Vietnam mindestens ein chinesischer Arbeiter getötet und hundert weitere verletzt worden. Zu der Gewalteskalation kam es in der zentralen Provinz Ha Tinh, als rund Tausend Vietnamesen eine taiwanischen Stahlhütte im Industriekomplex Formosa attackierten.

Die Angreifer stürmten das Gelände, setzte zahlreiche Gebäude in Brand und machten Jagd auf chinesische Arbeiter. Möglicherweise kamen dabei noch mehr Menschen ums Leben als bislang offiziell bekannt. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Krankenhausarzt aus der Region, dem zufolge mehr als 20 Menschen starben - fünf vietnamesische Arbeiter sowie 16 Personen, "die als Chinesen beschrieben wurden".

Die Stahlfabrik gehört allerdings keinem chinesischem Konzern, sondern der taiwanesischen Formosa Plastics Group.

Bereits am Mittwoch hatten tausende Menschen im Süden des Landes in der Provinz Binh Duong demonstriert und 100 Fabriken beschädigt. Auch dort waren zahlreiche Fabriken von Formosa Plastics und andere Firmen aus Taiwan sowie aus Singapur und Südkorea betroffen. In der Region beruhigte sich die Lage inzwischen.

Angesichts der anhaltenden Spannungen flohen Hunderte Chinesen in das Nachbarland Kambodscha. Mehr als 600 Chinesen hätten bei Bavet die Grenze überquert, sagte ein Sprecher der kambodschanischen Polizei.

Die Regierung in Peking äußerte ihre "ernste Besorgnis" über die Vorfälle und warnte vor Reisen nach Vietnam. Auf der Website der Tourismusbehörde hieß es, Chinesen sollten ihre Reisepläne in das Land "sorgfältig bedenken" und wachsam sein.

Die schwersten anti-chinesischen Unruhen seit Jahrzehnten richten sich gegen chinesische Ölbohrungen in einem von beiden Ländern beanspruchten Seegebiet im Südchinesischen Meer. Beide Länder streiten sich seit Jahrzehnten um Inseln im Südchinesischen Meer. Der Konflikt hatte sich Anfang Mai zugespitzt, als Peking eine Tiefseebohrplattform vor die Paracel-Inselgruppe verlegte. Hanoi schickte Schiffe in die Gegend, die dort nach eigenen Angaben von chinesischen Schiffen angegriffen und gerammt wurden.

China warf seinerseits Vietnam vor, seine Schiffe dutzende Male gerammt zu haben. Im Südchinesischen Meer kommt es im Streit um überschneidende Gebietsansprüche immer wieder zu Zwischenfällen. China beansprucht für sich fast das gesamte Seegebiet, auf dessen Grund große Rohstoffvorkommen vermutet werden. Doch auch andere ASEAN-Mitglieder, allen voran Vietnam und die Philippinen, erheben Ansprüche.

Stand: 15.05.2014 09:13 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/vietnam166.html