Die ukrainische Übergangsregierung in Kiew gibt sich keinen Illusionen hin: Auf die Separatisten im Osten des Landes hat sie nur wenig bis keinen Einfluss. Diese halten nach wie vor in mehreren Orten der Region Verwaltungsgebäude besetzt und fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet. Deshalb drängte man in Kiew in den vergangenen Tagen immer wieder darauf, dass Moskau seinen Einfluss bei den pro-russischen Aktivisten und Milizen geltend macht und für eine Deeskalation sorgt.

Nun hat sich der Ton aus der Hauptstadt verschärft: Die Übergangsregierung warf Russland die Unterstützung von Terroristen und Separatisten im Osten der Ex-Sowjetrepublik vor. Russland müsse auf seine Anhänger einwirken, um dort die "Gewalt zu beenden und Geiseln sowie besetzte Gebäude freizugeben", hieß es aus Kiew.

Die über Ostern geltende Waffenruhe erklärte die Übergangsregierung offiziell für beendet und kündigte neue Vorstöße gegen pro-russische Separatisten an. Der stellvertretende Ministerpräsident Vitali Jarema sagte am Rande einer Kabinettsitzung, der "Anti-Terror-Einsatz" werde in Kürze wieder aufgenommen und auch Ergebnisse liefern. Zugleich sagte der für Sicherheitsfragen zuständige Vize-Regierungschef, er hoffe auf umfassendere Hilfe der USA, falls Russland die Ukraine angreife.

Die Europäische Union ermahnte die Übergangsregierung zur Besonnenheit bei dem neuen Einsatz. Natürlich habe die Ukraine das Recht, ihrer Souveränität und territoriale Unversehrtheit zu verteidigen. "Wir rufen die Behörden aber auch dazu auf, auf einen Gewalteinsatz zu verzichten, der die Lage vor Ort weiter verschlimmern könnte", sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.

Die Regierung in Moskau reagierte auf die Ankündigungen aus Kiew, indem sie indirekt mit der Entsendung von Truppen drohte. Sollten "unsere legitimen Interessen, die Interessen von Russen" direkt angegriffen werden, sehe er keine andere Möglichkeit, als entsprechend dem Völkerrecht darauf zu reagieren, sagte Außenminister Sergej Lawrow dem Fernsehsender Russia Today. Er verwies dabei auf die Lage in Süd-Ossetien im Sommer 2008. Damals hatten Russland und Georgien einen kurzen Krieg um die abtrünnige Kaukasusregion geführt. Nachdem die Region sich von Georgien losgesagt hatte, schickte Russland im August 2008 Truppen, um die Separatisten zu unterstützen.

Lawrow wies jeden Einfluss Moskaus auf die Bewaffneten zurück. Für die Vorgänge in der Ukraine machte Lawrow die USA verantwortlich. "Es gibt keinen Grund, nicht zu glauben, dass die Amerikaner dahinter stecken", sagte er. Es sei auffällig, dass in der Ukraine die Regierung immer gerade dann das Militär gegen die protestierende eigene Bevölkerung im Osten des Landes einsetze, wenn gerade ein US-Funktionär in Kiew gewesen sei. Damit bezog er sich auf den Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden vom Dienstag.

US-Außenminister John Kerry mahnte unterdessen mehr Anstrengungen Russlands zur Beruhigung der Lage in der Ostukraine an. In einem Telefonat mit Lawrow zeigte Kerry sich "zutiefst besorgt über den Mangel an positiven russischen Schritten zur Deeskalation" im Osten des Landes. Die US-Regierung kündigte an, rund 600 Soldaten nach Polen, Litauen, Lettland und Estland zu schicken. Zuvor hatte US-Vizepräsident Joe Biden bei einem Besuch in Kiew mit Hilfszusagen für die Ukraine der pro-westlichen Führung demonstrativ den Rücken gestärkt.

Pro-russische Kräfte in Slowjansk bestätigten unterdessen, einen amerikanischen Journalisten in ihrer Gewalt zu haben. Simon Ostrovsky werde in der besetzten örtlichen Zentrale des ukrainischen Sicherheitsdienstes SSU festgehalten, sagte die Sprecherin der Aufständischen, Stella Choroschewa. Ihm gehe es gut. Er werde "negativer Aktivitäten verdächtigt", die von den Aufständischen untersucht würden, sagte sie der Nachrichtenagentur AP. Der Journalist arbeitet für das US-Magazin "Vice". Dessen Redaktion steht nach eigenen Angaben in Kontakt mit dem Außenministerium in Washington. Die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, forderte die sofortige Freilassung Ostrovskys.

Bei Slwajansk ereignete sich am Dienstag auch ein Zwischenfall, bei dem nach Angaben der Kiewer Übergangsregierung ein Beobachtungsflugzeug der Armee mit Maschinengewehren beschossen wurde. Die Maschine vom Typ Antonow AN-30 sei mehrfach getroffen worden, es habe aber keine Verletzten gegeben. Das Flugzeug sei zu seinem Militärstützpunkt zurückgekehrt und weiter einsatzbereit.

Stand: 23.04.2014 15:10 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/krise-i...ukraine104.html