Auch mehr als zwei Jahre nach der fatalen Havarie der "Costa Concordia" sind viele Fragen weiter ungeklärt. Die italienischen Ermittler stehen deswegen in der Kritik. Weil auch viele Deutsche unter den Opfer waren, haben sich nun deutsche Experten in die Ermittlungen eingeschaltet und zumindest die zugänglichen Teile des Wracks inspiziert.
Von Christoph Heinzle und Benedikt Strunz, NDR

Deutsche Experten der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) haben das Wrack der "Costa Concordia" besucht. Künftig sollen die Mitarbeiter der BSU ihre italienischen Kollegen dabei unterstützen, den Unfallhergang zweifelsfrei aufzuklären. Nach Informationen von NDR Info hatte es zuvor heftige internationale Kritik an der italienischen Untersuchungsarbeit gegeben.

Eine Sprecherin des Bergungsprojekts in Rom teilte mit, dass drei BSU-Mitarbeiter gemeinsam mit italienischen und amerikanischen Kollegen das Wrack am Morgen besichtigt haben. Bei ihnen handelte es sich unter anderem um einen Nautiker, einen Schiffsbauer und um einen Technik-Experten. Unter anderem habe die Gruppe die Fahrstühle und die Schiffs-Brücke in Augenschein genommen. Größere Teile des Schiffes stünden aber nach wie vor unter Wasser.

Die BSU erklärte, dass aufgrund der "hohen Anzahl deutscher Opfer" auch für sie ein großes Interesse daran bestehe, den Unfall aufzuklären. Federführend werde der Fall zwar nach wie vor von italienischer Seite untersucht, die BSU-Mitarbeiter würden aber künftig ihre Expertise mit einbringen.

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums teilte in Berlin mit, dass bislang noch nicht abzusehen sei, wann und ob ein gemeinsamer deutsch-italienischer Untersuchungsbericht vorgelegt werde. Bevor die Untersuchung abgeschlossen werden könne, müsse zunächst das Wrack vollständig aus dem Wasser geborgen werden.

Die neue Kooperation steht offenbar in direktem Zusammenhang mit einer wachsenden Kritik an dem Vorgehen der zuständigen italienischen Behörden. So wandte sich die Internationale Maritime Organisation der Vereinten Nationen (IMO) bereits im Sommer 2013 an das deutsche Bundesverkehrsministerium. In einem zweiseitigen Brief bemängelt die IMO, dass auch 15 Monate nach dem Unglück noch kein offizieller Bericht aus Italien vorlag. Zwar wurde dieser dann kurze Zeit später veröffentlicht, er löste allerdings international Kritik aus.

Aus Kreisen, die unmittelbar mit dem Geschehen vertraut sind, heißt es, der Bericht lasse zentrale Fragen offen. So hätten die italienischen Ermittler bislang nicht ausreichend geklärt, weshalb so viele Opfer in den Fahrstühlen der "Costa Concordia" ertrunken sind. Auch bleibe unklar, warum die Notstrom-Versorgung auf dem Schiff ausgefallen war. Genau das seien aber "entscheidende Fragen". Nicht zuletzt wird von unterschiedlichen Stellen bemängelt, dass der Bericht in "schlechtem Englisch" verfasst sei.

Auf Nachfrage wollten sich weder die IMO, noch die BSU, noch die zuständige italienische Untersuchungsbehörde (Investigativo sui Sinistri Marittimi) zu den Vorwürfen äußern. Opferanwälte begrüßten indes den Vorstoß. So erklärte etwa der Rechtsanwalt Hans Reinhardt, dass die Kommunikation mit den italienischen Behörden bislang eine Einbahnstraße sei. Der Anwalt aus Marl vertritt mehr als 30 deutsche Opfer des "Costa Concordia"-Unglücks. "Wir erhoffen uns von dem deutschen Engagement, dass die ganzen Untersuchungen jetzt transparenter ablaufen", so Reinhardt.

Das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" war im Januar 2012 vor der italienischen Insel Giglio auf Grund gelaufen und Leck geschlagen. Bei dem Unglück starben 32 Passagiere. Unter den Todesopfern waren auch zwölf Deutsche. Das Wrack soll in diesem Sommer abtransportiert und verschrottet werden.

Stand: 05.03.2014 17:59 Uhr
http://www.tagesschau.de/inland/costa-co...tlungen102.html