Kein anderes Gebäude in Südafrika war so berüchtigt wie der Ponte City Tower in Johannesburg: Der Betonzylinder galt als das gefährlichste Hochhaus der Welt. Drogenbarone und Kinderhändler residierten hier. Jetzt hat sich das Haus radikal geändert.
Von Andreas Herrler, ARD-Hörfunkstudio Johannesburg

Wer Michael Luptak besuchen will, sollte seinen Ausweis mitbringen. Jeder Besucher wird registriert. Wer über Nacht bleiben will, muss das zusätzlich anmelden. Luptak wohnt in einem der sichersten Gebäude Johannesburgs - neuerdings. Denn der Ponte City Tower war noch vor wenigen Jahren das komplette Gegenteil.

"Im 12. und 13. Stock lagen nur Matratzen auf dem Boden und Prostituierte haben dort gearbeitet. Jeder konnte hingehen und Sex oder Drogen für einen lächerlichen Preis organisieren. Im 14. Stock ist eine Tomatenpflanze aus dem Abfluss gewachsen. Mit Tomaten dran, so groß wie Cricketbälle", erzählt Luptak.

Er könnte Dutzende solcher Geschichten erzählen. Das Hochhaus, in dem er wohnt, war Sinnbild für den Niedergang Johannesburgs. 173 Meter hoch, dominierte es die Skyline schon in den 1970er-Jahren. Gesehen hat den Betonzylinder jeder in Johannesburg, hinziehen wollte niemand. Die Polizei traute sich nur mit Hundertschaften rein. Um nach Drogen zu suchen, um Zwangsprostituierte zu befreien oder um die Täter zu schnappen, die gerade ihre Kollegen erschossen hatten.

Der deutsche Autor Norman Ohler schreibt in seinem Roman "Stadt des Goldes": "Regel Nr. 1 in Ponte City: Nicht ermordet werden und in der Zwischenzeit möglichst viel Spaß haben." Dabei war Ponte City mal die Top-Adresse der Stadt. "Es wurde 1976 gebaut und wurde dann von einigen der reichsten Leute bewohnt, die man sich vorstellen kann. Das Hochhaus wurde gebaut wie eine kleine Stadt. Mit allem, was man so braucht. Wenn man nach Hause kam, konnte man zum Friseur gehen, zum Einkaufen, zur Massage, zum Kegeln, in ein Café - und natürlich hier leben", so Luptak.

Der Niedergang begann in den 1980er-Jahren, als die bunte Gesellschaft, die den weltoffenen Stadtteil Hillbrow bevölkerte, nicht zur Apartheidsphilosophie passte. "Die Menschen, die damals in Hillbrow gelebt haben, waren Schwarze, Weiße, Indischstämmige, Farbige, das war die kosmopolitischste Gegend überhaupt. Das allerdings passte der Apartheidregierung nicht und sie sagte: Okay, Ihr könnt gerne alle zusammen leben. Aber dann legen wir die Infrastruktur lahm. Es gibt keine Abwasserentsorgung mehr, keine Müllabfuhr, keine Straßenreinigung. Was also passierte? Nicht nur Leute zogen weg, sondern auch das Geld, was sie mitgebracht hatten", erzählt Luptak.

Als die Apartheid dann Anfang der 1990er-Jahre zu Ende ging und Präsident Nelson Mandela 1994 anordnete, die Grenzen für Immigranten zu öffnen, zogen Einwanderer in das Hochhaus. Mit ihnen kam die organisierte Kriminalität. Der Eigentümer, die Lkw-Vermietungsfirma Kempston, eines der größten Unternehmen des Landes, war machtlos. "Das Gebäude war im Grunde besetzt. Kempston hatte es gekauft, aber war de facto nicht der Besitzer", erinnert sich Luptak. "Hier waren Organisationen, die sagten: Wir bestimmen, wer hier rein kommt. Ich nehme soundsoviel Geld von Dir und dafür kannst Du hier leben. Und dafür hat man einen leeren Raum mit einer Matratze bekommen."

Anarchie herrschte im Ponte City Tower. Das organisierte Verbrechen hatte den Betonzylinder im Griff. Weil die Müllentsorgung nicht funktionierte, warfen die Bewohner den Abfall in den Innenhof, bis er sich fünf Stockwerke hoch stapelte. Einige Bewohner trauten sich wochenlang nicht aus ihrer Wohnung. 2002 hatte die südafrikanische Regierung einen rigorosen Plan: Das Hochhaus sollte zum größten Gefängnis des Landes werden.

"Zum Glück ist das nicht passiert. Stellen Sie sich vor: Sie lesen in der Zeitung etwas über Gewalt und Südafrika, dazu ein Foto von Johannesburg und der Skyline - dominiert vom Ponte City Tower - und dann denken Sie sich: Klar, in Südafrika gibt es einen Haufen Kriminelle, da wird gemordet, es gibt Prostitution. Das stimmt alles, denn dieses Gebäude beherbergt sie ja alle! Das größte Wohngebäude in der südlichen Hemisphere wird als Gefängnis genutzt!", sagt Luptak.

Was stattdessen passierte, war die Wende zum Guten. Nachdem Investoren vorhatten, das Gebäude in Luxus-Appartements umzuwandeln, 2008 aber wegen der Finanzkrise nichts daraus wurde, investierte Kempston als Eigentümer. "Von 2009 bis 2012 haben sie alle Appartements renoviert. Im Januar 2013 waren sie mit dem 50. Stock fertig. Und was es wirklich toll macht, hier zu leben, ist erstens: Die Mieten sind bezahlbar. Und zweitens: Man hat eine Riesen-Auswahl vom Studio für 1900 Rand bis zum Appartement mit drei Schlafzimmern und drei Bädern im 53. Stock für 5600 Rand im Monat." Umgerechnet sind das 130 bis 390 Euro. Zum ersten Mal seit den 1970er-Jahren ist der Ponte City Tower voll vermietet - wohlgemerkt an zahlende Mieter. "Das macht mich sehr glücklich, denn so holen wir den Ponte City Tower zurück in die Wahrnehmung. Und den Menschen wird klar: Hier kann man leben. Hier kann man eine Familie haben. Ich zum Beispiel lebe ein ganz normales Leben. Ich kann mir mein Essen kochen, der Strom fließt, das Wasser fließt, es ist brillant."

Viele Studenten leben hier, weil es günstig ist. Aber auch Familien aus der Mittelschicht. Sicher sei es hier, sagen sie - aber Probleme gebe es trotzdem: "Die Mieten steigen und steigen. Es ist schon besser, hier zu leben, als an anderen Orten in der Gegend. Es ist wesentlich sauberer hier. Aber bei diesen Mieten ist das eher ein Ort für die Reichen, nicht für die Armen", sagt ein Mieter. "Es ist sauber. Und es ist sicher, es kommen ja kaum Besucher rein. Das einzige Problem ist die Elektrizität. Vor zwei Wochen gab es eine ganze Woche keinen Strom. Stellen Sie sich mal vor, Sie leben im 52. Stock. Die Aufzüge sind nicht so zuverlässig, wie sie sein sollten."

Dazu kommt die Umgebung. Denn auch, wenn der Ponte City Tower mittlerweile sicher ist, die Straßen rundherum sind es nicht. Doch auch das werde sich ändern, sagt Luptak: "Ja, es ist immer noch gefährlich. Hier leben immer noch Menschen in besetzten Gebäuden. Es gibt Straßenprostitution. Wenn wir die Straße runter laufen, garantiere ich, dass uns irgendjemand Marihuana anbietet. Es ist nicht sicher. Aber: Ich lebe hier seit fast zwei Jahren. Und was sich seitdem geändert hat, ist unglaublich, ich kann das gar nicht in Worte fassen."

Ein Anfang ist gemacht. Nun ist der Ponte City Tower nicht mehr Symbol ist für das kriminelle und heruntergekommene Johannesburg, sondern für eine Stadt, die sich zum Guten ändert.

Stand: 11.01.2014 15:24 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/gefaehr...ochhaus100.html

keine Antwort?

Wohnen möchte ich dort nicht

wozu der laaaaaaange artikel?

Niemmals im Leben möchte ich dort wohnen.