Helmut Heinrich Waldemar Schmidt (* 23. Dezember 1918 in Hamburg) ist ein deutscher Politiker der SPD. Er war von 1974 bis 1982 der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Ab 1961 war Schmidt Senator der Polizeibehörde in Hamburg und erlangte während der Sturmflut 1962 als Krisenmanager große Popularität. Von 1967 bis 1969 war er Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, 1969 bis 1972 Bundesminister der Verteidigung, 1972 war er für ein halbes Jahr gleichzeitig Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen. Bis 1974 war er Bundesminister der Finanzen. 1974 wurde er zum Bundeskanzler gewählt. Gegen Ende seiner Amtszeit als Bundeskanzler leitete Schmidt, bedingt durch das Ausscheiden des Koalitionspartners FDP, für knapp zwei Wochen auch das Außenministerium.

Schmidt ist Mitglied des deutsch-amerikanischen Netzwerks Atlantik-Brücke.

Seit 1983 ist er Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit.
http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Schmidt


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Skipper oder Lotse? Jedenfalls Hamburger

Nüchtern in die Welt hinausblickend, so versteht sich der Hanseat gerne. Helmut Schmidt pflegt Zeit seines Lebens ein innig-kritisches Verhältnis zu Hamburg.
Eine Hommage von Dieter Buhl

Seine Zuneigung hat er öffentlich bekundet. Zunächst zwar anonym, doch schnell wurde bekannt, dass es just der Innensenator war, der sich hinter den den Autoren verbergenden drei Sternen verbarg. Die kritische Liebeserklärung an Hamburg, die Helmut Schmidt vor mehr als 50 Jahren in seinem "Brief an gute Freunde" in der Welt verfasste, hat er seither in vielen Reden, Texten und persönlichen Gesprächen variiert.

Ohne Spannungen und Enttäuschungen, träumerisch gar, war diese Beziehung nie. Wie hätte das auch sein können bei einem Mann, der durch und durch vom hamburgischen Geist imprägniert ist? Der Genius Loci dieser Stadt steht nun einmal für eine Nüchternheit, die Wogen allenfalls auf der Elbe, nicht aber bei Gefühlen zulässt.

Die enge Bindung an seine Vaterstadt ist deshalb bemerkenswert, weil Helmut Schmidt doch eigentlich in der Welt zu Hause ist. Hätte er seine heimatlichen Wurzeln vernachlässigt, wäre das jedenfalls nicht verwunderlich gewesen. Als Bundeskanzler und noch intensiver als Privatmann und Publizist legte er Wert darauf, seine persönlichen Kontakte in die Metropolen der Weltpolitik zu pflegen. Er wollte darüber informiert sein, wie seine internationalen Freunde und Vertrauten die Lage in ihren Ländern oder den Zustand auf dem Globus beurteilten. Selbst sein hohes Alter hat ihn nicht daran hindern können, seinen Wissensstand in Gesprächen in China und Japan, in Moskau, Singapur und Nordamerika aufzufrischen.

Sein Interesse am internationalen Geschehen passt zu seiner Heimatstadt. Denn Weltoffenheit gilt als eine der Eigenschaften der Hanseaten. Für Helmut Schmidt ist "der Blick nach Übersee, über den Atlantik, den Pazifik und den Indischen Ozean" eine beinahe schon konstitutive Ausrichtung seiner Landsleute. Eine globale Perspektive räumt er nicht mehr nur "wie vor fünfzig Jahren Reedern, Schiffsbauern und Kaufleuten" ein. Heute, im vielleicht etwas verklärenden Licht seiner 95 Jahre, schreibt er diesen Weitwinkel auch "dem Arbeiter auf der Airbus-Werft in Finkenwerder oder dem bei Beiersdorf ebenso zu wie den Angestellten in der City".

Andere den Hanseaten attestierten Tugenden hält er ebenfalls für quicklebendig. In "Toleranz, Liberalität und republikanischer Gesinnung" sieht er weiterhin Eckpfeiler des hamburgischen Selbstverständnisses. Ihm selbst, dem Jungen aus einfachen Verhältnissen im Stadtteil Barmbek, wird schon früh Bescheidenheit, auch die öffentlich zur Schau getragene persönliche Bescheidenheit, als eine besondere lokale Wesensart anerzogen worden sein.

Neben dem Komment der Stadt hat die Lichtwarkschule – diese Tatsache würdigt der Lehrersohn bis heute – einen nachhaltigen Einfluss auf seine persönliche Entwicklung genommen. Sie gilt noch immer als eines der herausragenden Beispiele für die progressive Hamburger Schulpolitik in den zwanziger Jahren. Die Schule hat ihm nicht nur die Freundschaft mit seiner späteren Frau Loki beschert, ihn selbständig und kritisch zu denken gelehrt, sondern ihn auch an die Kunst herangeführt. Wenn der früher häufig als "Macher" diskreditierte Politiker ein durchaus musischer Mensch ist, wenn die Musik, die Malerei, die Architektur zu seinem Leben gehören, dann ist das nicht zuletzt auf die Jahre in der Lichtwarkschule zurückzuführen.

Nicht überraschend antwortet der Mann, der einmal Stadtplaner werden wollte, auf die Frage, was ihm an Hamburgs Stadtbild am meisten erfreut: der Hafen, natürlich, das Alsterpanorama mit seinen Kupferdächern, doch vor allem die fünf Stadtkirchen. Ihre ebenso schlichte wie würdige Erhabenheit in Backsteingotik bedeutet für ihn Heimat. So sehr schätzt Helmut Schmidt diese architektonische Besonderheit unter dem hohen Himmel des Nordens, dass er seinen Heimatbegriff weit fasst. Heimat, sagt er, sei für ihn überall dort, wo Kirchen in Backsteingotik die Silhouetten der Städte bestimmen.

Obwohl er sich also auch in Lübeck und Ratzeburg, in Wismar, Rostock oder Stralsund heimatlich fühlt, ist Schmidt ein Hamburger wie aus dem Bilderbuch. Die Maxime der Heimatstadt ist auch seine. "Jedermann hat die sittliche Pflicht, für das Wohl des Ganzen zu wirken", heißt es in der Hamburger Verfassung. Schmidt hat versucht, sich daran zu halten und entsprechend zu handeln. In seinen ersten Lebensjahrzehnten weniger mit Mäzenatentum, wie es in der See- und Kaufmannsstadt seit Alters her Tradition hat – dafür fehlte das Geld. Wohl aber fühlte sich der Kriegsheimkehrer schon in den Aufbaujahren zum öffentlichen Engagement aufgefordert.

Neben den aufrüttelnden Lehren aus der Zeit des Krieges und des Nationalsozialismus dürfte die den Hanseaten zugeschriebene Verantwortungsethik den Studenten der Volkswirtschaft in die Politik geführt haben. Seine Intelligenz und Wortgewalt halfen ihm, schnell in der SPD Karriere zu machen. Sie brachten ihn vom Vorsitzenden des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes über eine Referenten-Stelle im Senat bis in den Bundestag. Ob es auch Heimweh war oder doch eher das Angebot eines Senatorenpostens, das ihn Anfang 1962 nach neun Jahren als Abgeordneter in Bonn an die Elbe zurückbrachte, sei dahingestellt. Auf jeden Fall bescherte ihm die Rückkehr sehr bald seine erste einschneidende Herausforderung. Und anschließend nachhallenden Ruhm.

Als im Februar desselben Jahres eine gewaltige Sturmflut die Hansestadt heimsuchte und ein Drittel des Stadtgebiets unter Wassermassen begrub, erwies sich der Innensenator Schmidt als der richtige Mann an der richtigen Stelle. Entschlossen leitete er die Rettungsaktion, oft ohne Rücksicht auf die politische Hierarchie oder die hamburgische Verfassung. Vermutlich jagen die eiserne Disziplin, die Arroganz und die Ungeduld, mit denen der Senator die Hilfsmaßnahmen organisierte, noch heute manchem Beamten im Rathaus einen Schauer über den Rücken. Aber die autoritäre, zielgerichtete Führung verhinderte ein Chaos. Sie wird der Hauptgrund dafür sein, dass die Zahl der tödlichen Flutopfer auf 315 beschränkt blieb.

In der Ausnahmesituation kam Helmut Schmidt zupass, dass er sich auch als Senatsmitglied nie als Lokalpolitiker fühlte. Er betrachtete sich vielmehr als jemand, der für die Sicherheit seiner Mitbürger verantwortlich war. Das verstand er nicht als Politik, sondern als Aufgabe eines Vernunftmenschen. Dem Hauptmann der Reserve half während der Flut zudem, dass er sich als Autor und Experte für sicherheitspolitische Fragen einen internationalen Ruf erarbeitet hatte – meist unter dem Kopfschütteln vieler seiner pazifistisch gestimmten Genossen. Er unterhielt gute Kontakte zur Bundeswehr wie zur Nato. So brauchte er in Bonn und Brüssel nicht lange zu bitten, um die Hubschrauber und Sturmboote zur Verfügung zu bekommen, die er zur Rettung der Menschen aus überfluteten Wohnungen und von Hausdächern benötigte.

Wann steht ein Politiker je vor der Aufgabe, seine Heimatstadt aus großer Not zu retten? Das ist eine gewaltige Bewährungsprobe. Aber sie kann auch eine Chance sein. Weil Schmidt das Flutdrama bravourös gemeistert hatte, zollten ihm Hamburg und die ganze Bundesrepublik Bewunderung. Seine erwiesenen Führungsqualitäten öffneten ihm die Türen zur Macht, schließlich auch die ins Kanzleramt.

Ein Hanseat an der Spitze der Bundesregierung. Einer zudem, der mit seinem Temperament, seiner Haltung und mit seiner legendären Schiffer- oder Lotsenmütze immer wieder auf seine Herkunft verwies, das war ein Grund zu Genugtuung und Stolz unter seinen Landsleuten. Sie wussten es außerdem zu schätzen, dass er trotz aller internationalen Verpflichtungen seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in ihren Mauern sah. Die Mütze will im Übrigen auch der Träger selbst nicht exakt nach Skipper oder Lotse einordnen; er sagt nur, dass er mit ihr in der Tradition seines Vaters und Großvaters steht, die ebenfalls solche Mützen getragen hätten.

Das Ehepaar Schmidt nutzte jede Gelegenheit, um den Kanzlerbungalow mit dem Reihenhaus in Langenhorn zu tauschen. Hier, zwischen ihren Büchern und Bildern, war ihr Refugium. Hier wurde allerdings auch Politik gemacht, gelegentlich sogar Weltpolitik mit Gästen wie Leonid Breschnew oder Valéry Giscard d’Estaing. Auch nach dem Ende seiner politischen Arbeit kamen illustre Gäste in den Neubergerweg, das spanische Königspaar oder der amerikanische Expräsident Gerald Ford, Henry Kissinger oder die Sadat-Witwe Jihan.

Des Abglanzes der Prominenten-Visiten hätte es jedoch gar nicht bedurft, um die Ahnung eines Heiligenscheins aufkommen zu lassen. Mit seinen vielfältigen Aktivitäten als Publizist hat sich der ehemalige Kanzler längst einen sicheren Rang als moralische Instanz und Referenzgröße der Vernunft gesichert. In Hamburg ist er mitunter zudem noch ein durchaus einflussreicher politischer Faktor.

Zwar scheint es, als übersähe er inzwischen mit Altersmilde mögliche Defizite der Rathauspolitik, doch wenn ihm etwas gegen den Strich geht, macht er sein Wort. Pauschale Kritik an der "introvertierten Binnensicht" oder am "selbstzufriedenen Beharrungsvermögen der politischen Klasse" gehört der Vergangenheit an. Vormachen lässt sich Schmidt dennoch nichts.

Deshalb ist er beispielsweise dem Kuratorium für die später so pannenbelastete Elbphilharmonie nicht beigetreten, "weil mir das Ganze ziemlich neureich vorkommt". Ein geplanter Neubau im Stil "globalisierter Allerweltsarchitektur" auf dem Domplatz, direkt unterhalb seines ZEIT-Büros, provozierte ihn zu einer Philippika in seinem Blatt. Der energische Einwurf hatte Folgen. Inzwischen genießen die Menschen dort statt eines gesichtslosen Gebäudes einen kleinen Park. Als das Altonaer Museum für Kunst- und Kulturgeschichte auf Senatsbeschluss hin geschlossen werden sollte, half ihm der Bürger Schmidt mit seinem Einspruch – "ein schwerwiegender Fehler"– beim Weiterbestehen.

Nicht zuletzt wegen solcher Interventionen wissen die Hamburger, was sie an dem Alten vom Neubergerweg haben. Sie revanchieren sich nicht allein mit Respekt, sie haben ihn auch mit Ehren überhäuft.

Ein Gymnasium trägt seinen Namen ebenso wie die Universität der Bundeswehr, die er als Verteidigungsminister initiiert hatte. Als Ehrenbürger hat er ebenso wie seine verstorbene Ehefrau Loki einen Platz in der heimatlichen Ruhmeshalle. Einen besonders volksnahen Beweis für seine Popularität erhielt er vor einigen Jahren in einer Umfrage nach "unserem wichtigsten Hamburger". Der ehemalige Regierungschef belegte selbstverständlich den ersten Platz, sehr weit vor dem Gründer des erfolgreichen Versandhauses, Werner Otto, der Schauspielerin Heidi Kabel, dem Fußballer Uwe Seeler oder Axel Springer.

All die Verehrung soll gewiss eine Danksagung sein für erwiesene Treue. Der Anker dieser so weltgewandten und welterfahrenen Persönlichkeit ruht in Hamburg. War er nie in Versuchung, die Heimat mit der Ferne zu tauschen? Verlockungen gab es. Als 21-Jähriger wäre er gern für die Deutsche Shell nach Holländisch-Indien (heute Indonesien) gegangen. Doch nach zweijähriger Ausbildung als Soldat behielt ihn die Wehrmacht wegen des heraufziehenden Krieges in ihrem Griff. Wenige Jahre nach dem Ende des 2.Weltkriegs lud ihn ein amerikanischer Verwandter während eines Besuchs in Duluth, Minnesota, ein, gleich dort zu bleiben. Ein Arbeitsplatz und ein Haus standen bereit, Frau und Tochter sollten nachkommen. Ein typisch amerikanisches Angebot, das in den mageren Nachkriegsjahren einem Deutschen Wohlstand und eine sichere Zukunft versprach.

Doch der Lockruf ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten lief ins Leere. Die Liebe zum Hanseatentum und zur Backsteingotik obsiegte. Sie hat seither ein langes Leben bestimmt. Helmut Schmidt ist dort geblieben, wohin er gehört.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesc...t-95-geburtstag

Helmut Schmidt scherzt im August 2012 mit Kindern in der Turnhalle der Loki-Schmidt-Schule in Hamburg. Foto: dpa


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Mir war er auch sehr bekannt und war meines Erachtens bis heute der letzte richtig vernünftige Kanzler.

Das waren noch Zeiten.

War ein guter Mann

Er war der typische Hanseat: Bodenständig, mit beiden Beinen auf der Erde, bescheiden, grundehrlich, ließ sich nie verbiegen.....
Da er nicht weit weg von uns wohnte, war er öfter draußen anzutreffen.

Er und Willy Brandt - die besten Kanzler, die wir bisher hatten.