Der berühmteste Gefangene Russlands könnte völlig überraschend bald freikommen: Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, er werde den inhaftierten ehemaligen Ölunternehmer Michail Chodorkowski begnadigen.

Der frühere Milliardär habe ein Gnadengesuch gestellt, das er in Kürze unterschreiben werde, sagte Putin im Anschluss an eine Pressekonferenz. "Er hat mehr als zehn Jahre in Haft verbracht. Das ist eine ordentliche Zeit." Chodorkowskis Pressestelle teilte mit, dass der einst reichste Mann bald seine Anwälte treffen werde. Sie ließ zudem Aussagen zurückziehen, nach denen die Rechtsberater des Putin-Gegners nichts von dem Gesuch gewusst hätten.

Der Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Jukos hatte stets befürchtet, dass der Kreml alles tun könnte, um ihn politisch weiter kaltzustellen. Chodorkowski müsste noch acht Monate seiner insgesamt zehn Jahre dauernden Haftstrafe absitzen. Er wurde 2005 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt. In einem zweiten Verfahren sprach ein Gericht den ehemaligen Jukos-Chef sowie seinen Geschäftspartner Platon Lebedew 2010 wegen Unterschlagung schuldig.

Viele sahen in dem Urteil das Ziel des Kremls, Chodorkowski so lange außer Gefecht zu setzen, bis Putin ein drittes Mal zum Präsidenten gewählt sein würde. Die Verurteilung Chodorkowskis war nach Ansicht vieler Putin-Kritiker politisch motiviert. Er hatte Ambitionen auf das Präsidentenamt gezeigt und Putin herausgefordert.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte die angekündigte Begnadigung als eine gute Entscheidung. "Wir wünschen uns, dass Michail Chodorkowski möglichst bald auf freien Fuß kommt", erklärte Steinmeier in Warschau. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprach von einem "vernünftigen Schritt". Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International reagierte erleichtert auf die überraschende Nachricht aus Moskau.

Beobachter werten die Begnadigung nun als Teil einer Charmeoffensive Putins anlässlich der Olympischen Winterspiele in Sotschi im Februar. In diesem Zusammenhang sehen auch viele die Amnestie für die beiden inhaftierten Mitglieder der russischen Punk-Band Pussy Riot. Ein vom Parlament am Mittwoch verabschiedetes Amnestiegesetz gelte auch für Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, auch wenn ihre Tat beschämend gewesen sei, sagte Putin.

Die Musikerinnen, die heute 24 und 25 Jahre alt sind, wurden wegen Rowdytums zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sie hatten in einer Kirche ein Protestlied gegen Putin gesungen. Die Frauen sollten eigentlich im März freikommen. Von der Amnestie profitieren sie auch, weil sie Mütter kleiner Kinder sind.

Auch etwa 30 Greenpeace-Aktivisten, die nach einer Protestaktion gegen Ölbohrungen russischer Unternehmen in der Arktis festgenommen worden waren, fallen unter die Amnestie. Diese sei aber nicht speziell für sie erlassen worden, sagte Putin. Russland werde seine Ansprüche in der Arktis weiter nachdrücklich verteidigen. "Was passiert ist, muss eine Lehre sein und sollte hoffentlich dazu führen, dass wir mit Greenpeace positiv zusammenarbeiten werden", sagte Putin.

Stand: 19.12.2013 18:23 Uhr
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Nach seiner Freilassung aus einem russischen Gefängnis ist der prominente Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski am Freitag in Berlin eingetroffen. Am Nachmittag wurde der 50-Jährige auf dem Flughafen Schönefeld vom früheren Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in Empfang genommen. Erst am Vormittag war der Unternehmer nach über zehn Jahren Haft von Präsident Putin begnadigt worden. Am Samstag hat Chodorkowski in Berlin seine Familie getroffen.

Der freigelassene Kreml-Kritiker Chodorkowski hat in Berlin seinen ältesten Sohn Pawel getroffen. Das teilte eine Sprecherin Chodorkowskis am Samstag mit. Auch die Mutter des früheren Ölmagnaten sei bereit, nach Berlin zu fliegen.

Ein Kreml-Sprecher teilte am Samstag mit, Chodorkowskis Rückkehr in seine Heimat stehe nichts im Wege. "Er ist frei, nach Russland zurückzukehren. Absolut", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow . Er machte keine Angaben zu möglichen Bedingungen für die Freilassung. Auch äußerte er sich nicht dazu, ob Chodorkowski in seiner Heimat wieder politisch aktiv werden darf.

Chodorkowski war am Freitag nach mehr als zehn Jahren Haft aus einem Straflager entlassen worden. Anschließend flog er nach Berlin, wo er vom früheren Bundesaußenminister Genscher (FDP) empfangen wurde. Genscher hatte sich für die Freilassung Chodorkowskis eingesetzt. Laut Angaben des Auswärtigen Amtes kam die Maschine aus St. Petersburg und landete am Nachmittag auf dem Flughafen in Schönefeld (Dahme-Spreewald). Wie es weiter hieß, ist die deutsche Botschaft in Moskau an den Ausreisevorbereitungen beteiligt gewesen.

Der 50-jährige habe vor seiner Begnadigung zwei Briefe an Putin geschrieben, sagte Peskow der Nachrichtenagentur AFP: einen kurzen offiziellen und einen weiteren, langen und persönlicheren. Weitere Einzelheiten nannte Putins Sprecher nicht.

Genscher nahm Chodorkowski gegen 15.00 Uhr in Empfang. Er hatte sich in der Vergangenheit für die Freilassung des Kreml-Kritikers stark gemacht. Wie Genscher den ARD-"Tagesthemen" am Freitag sagte, kennt er Chodorkowski seit über zehn Jahren. Zweimal sei er in dieser Angelegenheit auch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen worden. Er habe ihm auch das Gnadengesuch Chodorkowskis übergeben.

Das ARD-Hauptstadtstudio hatte zuvor berichtet, dass Genscher ein Energieberatungsunternehmen aus dem Sauerland um die Bereitstellung eines Firmenflugzeugs gebeten hatte, dass Chodorkowski von St. Petersburg nach Berlin brachte.

Wie Genscher weiter sagte, will der Regierungskritiker am Samstag in Berlin seine Familie treffen. Nach zehn Jahren Haft gehe es ihm den Umständen entsprechend gut. Vor allem freue er sich darauf, dass er nun "in wenigen Stunden wie erhofft seine Familie in die Arme schließen kann". Welche Pläne Chodorkowski habe und ob er in Deutschland bleiben wolle, wisse er nicht, sagte Genscher. Nach der Ankunft in Schönefeld hatte ein kleiner Konvoi den Flughafen in Richtung Berlin-Mitte verlassen. Dort war Chodorkowski offenbar im Hotel Adlon abgestiegen - jedenfalls wurde Genscher dabei gesehen, wie er am späten Nachmittag das Hotel verließ.

Kurz nach seiner Ankunft in Berlin ließ Chodorkowski über seinen Pressesekretär eine Erklärung verbreiten. Darin bestätigt er das Gnadengesuch, das er am 12. November an Putin gerichtet habe. Dabei sei es es aber "nicht um die Anerkennung von Schuld" gegangen, schreibt Chodorkowski. Insbesondere danke er Hans-Dietrich Genscher, der sich persönlich für sein Schicksal eingesetzt habe.

Die russische Gefängnisbehörde hatte am Freitagvormittag überraschend mitgeteilt, dass Chodorkowski ein Gnadengesuch gestellt habe und dies damit begründet habe, dass er seine an Krebs erkrankte Mutter, Marina Chodorkowskaja, besuchen wolle. "Seiner Bitte wurde entsprochen", so die Behörde. Laut "Spiegel Online" hatte die deutsche Botschaft in Moskau dem Kreml-Kritiker daraufhin unbürokratisch ein Visum ausgestellt - bereits wenige Stunden später traf Chodorkowski dann in Berlin ein.

Wie die Nachrichtenagentur AFP erfuhr, erfuhr die Mutter Chodorkowskis an ihrem Wohnort in der Region Moskau von der Freilassung ihres Sohnes. Noch am Samstag will sie nach Berlin fliegen. Ihre Schwiegertochter Inna halte sich derzeit in der Schweiz auf. "Ich kann es noch gar nicht fassen", sagte sie dem Staatsfernsehen, nachdem sie von den Neuigkeiten erfahren hatte. Den Angaben zufolge sprach sie mit zitternder Stimme und musste Beruhigungsmittel nehmen, weil sie die Freilassung ihres Sohnes "wie eine Bombe" getroffen habe

Chodorkowskaja ist an Krebs erkrankt und war eigenen Angaben zufolge bereits früher in Deutschland in Behandlung. Man vermutet, dass sie dazu in der Berliner Charité war. Deren Chef, Max Einhäupl, berief sich gegenüber dem dem "Tagesspiegel" am Freitag auf die ärztliche Schweigepflicht und sagte, dass sie derzeit "definitiv nicht Patientin" der Charité sei.

Am Vormittag war Chodorkowski nach über zehn Jahren Haft aus einem Gefängnis nahe der finnischen Grenze entlassen worden, 300 Kilometer südlich des Polarkreises. Präsident Putin hatte eine Begnadigung des einst reichsten Russen aus humanitären Gründen unterzeichnet und war damit einer entsprechenden Ankündigung vom Donnerstag nachgekommen.

Eigentlich hätte Chodorkowski das Gefangenenlager in Segescha in der russischen Teilrepublik Karelien im Nordwesten des Landes erst im August 2014 verlassen dürfen. Doch Putin verkürzte überraschend die Haft. Nach einer mehrere Stunden dauernden Pressekonferenz hatte er am Donnerstag erklärt, ein von Chodorkowski unterzeichnetes Gnadengesuch habe Aussicht auf Erfolg. Am Freitag folgte dann das entsprechende Dekret.

Chodorkowski hatte sich stets gegen ein Gnadengesuch gewehrt - weil er ein implizites Schuldeingeständnis vermeiden wollte. Doch offenbar fühlte er sich unter Druck gesetzt. Die russische Zeitung "Kommersant" berichtete, Geheimdienstmitarbeiter hätten ihm Anfang Dezember eröffnet, dass sich der Gesundheitszustand seiner Mutter verschlechtert habe und ihm ein dritter Prozess drohe. Erst danach habe sich Chodorkowski an Putin gewandt.

Der frühere Chef des einst größten russischen Ölkonzerns Yukos war unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Diebstahls verurteilt worden.

In deutschen Regierungskreisen wurde die Nachricht von der Freilassung Chodorkowskis positiv aufgenommen. Der frühere Unternehmer könne sich in Deutschland frei bewegen und habe hier hinreichend Zeit, sein neues Leben in Freiheit zu planen, hieß es.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Freilassung Chodorkowskis. "Sie freut sich sehr", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte: "Das ist eine gute Nachricht." Die Gespräche mit Russland über Rechtsstaat und Menschenrechte müssten aber auch in den nächsten Jahren mit Engagement weitergeführt werden.

Mehr Informationen und Reaktionen zu Michail Chodorkowski finden Sie bei den Kollegen von tagesschau.de
Stand vom 21.12.2013
http://www.rbb-online.de/politik/beitrag...ngetroffen.html

Hier gehts zum Interview mit unserem Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher

http://www.tagesschau.de/inland/chodorkowski276.html

Seitdem lebt er irgendwo im Exil und äußert sich weiterhin immer wieder mal kritisch über Putin und die Führung in Moskau.