Das große Krabbeln im ICE

Ja, was krabbelt denn da? Das dürften sich die Zugreisenden gedacht haben, die am Sonntagabend mit dem ICE von Hamburg nach Stuttgart unterwegs waren. Irgendwo zwischen Hannover und Göttingen hatten 20 Wollhandkrabben die Chance ergriffen und waren aus ihrem umgekippten Behälter geflohen. Als das Zugpersonal das große Krabbeln bemerkte, spazierten die etwa 20 Zentimeter großen Krebstiere bereits munter im Wagen umher. Aber wieso fahren Chinesische Wollhandkrabben eigentlich in Deutschland Zug? Ganz einfach: Zwei Chinesen aus Tübingen hatten die Tiere dabei - zu welchem Zweck ist noch unklar. Aber die Vermutung liegt nahe, dass sie im Kochtopf landen sollten. Denn in China gelten die dunkel gepanzerten Krabben als Delikatesse.

Elf der krabbeligen Fahrgäste konnten wieder eingefangen werden - die restlichen Tiere wurden nicht gefunden. Ob sie bis nach Stuttgart gereist oder unterwegs ausgestiegen sind, ist nicht bekannt.

Für die elf Krabben, die es nicht in die Freiheit geschafft haben, war jedenfalls am Bahnhof Göttingen Endstation: Dort "übergaben Bahn-Mitarbeiter die Krabben der Bundespolizei zur Erstversorgung", wie die Polizei am Montag mitteilte. Das bedeutete: Salzwasser. Die beiden Chinesen durften weiterreisen - müssen aber für die Kosten der Krabbenjagd aufkommen.

Anschließend nahm die Tierrettung der Göttinger Feuerwehr die Ausreißer in ihre Obhut - und übergab sie schließlich an Carsten Schneider, den "Reptilienberater" für die Göttinger Polizei und die Feuerwehr. "Die Tiere wurden in einem desolaten Zustand bei mir abgeliefert", sagte er zu NDR.de. So sah es am Sonntagabend zunächst danach aus, dass keines der Tiere überleben würde. Schneider brachte die Tiere in einem Aqua-Terrarium unter und versorgte sie. Am Montagmorgen war dann klar: Sieben Wollhandkrabben haben es nicht geschafft - aber vier sind putzmunter.

Schneider, der in Dransfeld (Landkreis Göttingen) sonst herrenlosen Schlangen, Spinnentieren und Echsen ein vorübergehendes Zuhause bietet und sie dann weitervermittelt, musste sich erst mal über die Exoten aus China schlaumachen. Er vermutet nun, dass entweder der Stress oder eine nicht artgerechte Haltung den Tieren zum Verhängnis geworden ist. Auch die Tatsache, dass die Bundespolizei die Tiere zunächst in Salzwasser gelegt hat, könnte ein Fehler gewesen sein: "Nur Jungtiere brauchen Salzwasser", so Schneider. Der Salzgehalt könnte ebenfalls nicht gestimmt haben.

Falls die Bundespolizei keinen anderen Besitzer der Tiere ermittelt, kümmert sich Schneider selbst darum, dass die Wollhandkrabben ein gutes, neues Zuhause bekommen. "Am liebsten wäre mir das Sealife in Hannover", sagt er. Aber auch beim NABU Artenschutzzentrum in Leiferde will er anfragen.

http://www.ndr.de/regional/niedersachsen...krabben101.html