Misshandelt auf "Tigerbank" und "Totenbett"

Etwa 300 Umerziehungs- und Arbeitslager soll es in China geben. Die Sicherheitsbehörden können dort Menschen bis zu vier Jahre lang festhalten, ohne Gerichtsverfahren. Schon oft prangerten Menschenrechtler die Zustände in den Lagern an, aber oft fehlt es an Beweisen. Jetzt bestätigten ehemalige Häftlinge der ARD, dass sie dort Folter und Misshandlungen erleiden mussten.

Das Arbeits- und Umerziehungslager Masanjia in der Provinz Liaoning ist auf fast keiner Landkarte verzeichnet. Aber in den Dörfern der Region weiß jeder, wo es liegt: hinter Stoppelfeldern außerhalb des Städtchens Masanjia. Vierstöckige weiße und rote Häuserblocks hinter Mauern und Stacheldraht. Am Tor in gelb-goldenen Lettern: Liaoning - Frauen-Umerziehungs- und Arbeitslager.

Wer hier inhaftiert war, ist fürs Leben gezeichnet. So auch diese 50-jährige Frau: "Ich wurde der zweiten Arbeitsbrigade zugeteilt. Am gleichen Tag wurde ich von einer Polizeibeamtin brutal geschlagen. Es dauerte 20 Minuten. Ich wurde mit einem Elektro-Stock ins Gesicht geschlagen, auf die Ohren, die Schläfen, auf Arme, Beine und auf den Bauch. Es war unerträglich. Ich habe gewimmert und geschrien."

Die ehemaligen Häftlinge, die zwischen 2003 und 2011 in Masanjia inhaftiert waren, beschreiben in den Interviews mit dem ARD-Hörfunkstudio Peking diverse Formen von Folter und Misshandlungen: die "Tigerbank", bei der Häftlinge stundenlang in extrem schmerzhaften Positionen auf einem Stuhl festgebunden worden seien.

Das "Totenbett": Häftlinge seien tagelang auf einem Bett festgeschnallt worden, Beine und Arme unbeweglich von sich gestreckt.

Oder "Aufhängen": "Sie haben meine Handgelenke an dem oberen Gestell eines Etagenbettes festgebunden, so dass meine Füße den Boden nicht mehr berühren konnten", berichtet eine 57-Jährige frühere Inhaftierte. "Aber das reichte nicht. Sie haben mir Holzstücke an die Beine gebunden, um mich davon abzuhalten mit den Füßen zu strampeln. Irgendwann bin ich bewusstlos geworden. Ich weiß nicht mehr, wann sie mich runtergenommen haben."

Auch die Arbeit war extrem hart. Sieben Tage die Woche - von morgens um halb sieben, oft bis tief in die Nacht. Dafür sollten die Häftlinge eigentlich pro Monat 1,20 Euro bekommen, sahen meist aber keinen Cent.

"Wir durften nicht schlafen, bis wir unsere Aufgaben erfüllt hatten", erzählt eine Frau, die bis zur ihrer Inhaftierung eine parteitreue Angestellte bei einer Steuerbehörde war. "Im Grunde konnte niemand die Quoten erfüllen, egal wie schnell jemand war. Die Vorgaben waren einfach zu hoch."

Die Frauen mussten Kleidungsstücke nähen und Bezüge für Autositze, oder Halloween-Dekorationen herstellen. Was davon für den chinesischen, was für den ausländischen Markt bestimmt war, wussten die Häftlinge nicht. Wenn es Aufträge zu erfüllen gab, hätten sie manchmal ganze Nächte schuften müssen, erzählen sie, denn Lager wie Masanjia verdienen mit der Arbeit der Häftlinge offenbar viel Geld.

Neben dem berüchtigten Frauenlager gibt es ein kleineres für Männer. Auch dort habe es ähnliche Misshandlungen gegeben, erzählt ein Mann, der 2011 entlassen wurde: "In den Arbeitslagern geht es darum, dir deine Würde zu nehmen. Du giltst als Feind des Volkes, daher wirst du nicht mehr wie ein zivilisierter Mensch behandelt. Du muss nur noch gehorchen."

In Masanjia waren in den vergangenen zehn Jahren viele Anhänger der verbotenen Meditationsbewegung Falun Gong inhaftiert, aber auch Drogenabhängige, Kleinkriminelle und hartnäckige "Bittsteller" - Menschen, die wegen erlittenen Unrechts bei den Behörden Petitionen einreichen und deshalb als Unruhestifter gelten. Zeitweise sollen es 5000 Häftlinge gewesen sein.

Quelle und mehr >> http://www.tagesschau.de/ausland/china1762.html